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Der erste Deportationszug rollte am 18. Oktober 1941 vom Gleis 17 des ehemaligen Güterbahnhofs in Berlin-Grunewald. 1 013 Berliner Jüdinnen und Juden befanden sich in dem Zug, der Richtung Litzmannstadt (Łodź) fuhr, einem Sammellager und Zwischenstation auf dem Weg in die NS-Vernichtungslager. 1941 lebten noch etwa 66 000 Jüdinnen und Juden in Berlin. Etwa fünf Sechstel von ihnen wurden zwischen Oktober 1941 und Dezember 1944 in 60 »Osttransporten« sowie 120 »Alterstransporte« von den Deportationsstellen Gleis 17 (Grunewald), Gleis 69 (Moabit) und dem Anhalter Bahnhof hauptsächlich nach Theresienstadt (»Alterstransporte«), Litzmannstadt, Minsk, Riga, Warschau und ab Ende 1942 zumeist in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Noch Anfang 1945 erfolgten von Berlin letzte Deportationen nach Sachsenhausen, Ravensbrück und Theresienstadt.

… und Fragen, die sich stellen:

  • Welche Namen stehen hinter der Zahl von über 50 000 Menschen, die von Berlin aus deportiert wurden, und was geschah mit ihnen?
  • Wie hat die übrige Berliner Bevölkerung auf die Deportationen reagiert Was berichten Augenzeug:innen aus den jeweiligen Täter:in-, Opfer-, Zuschauer:in-Perspektiven?
  • Wie wurde dieses menschenverachtende Geschehen dokumentiert?
  • Welche Angebote könnten gemacht werden, um einen partizipativen Umgang mit den historischen Quellen vor Ort dauerhaft und langfristig zu ermöglichen?
  • Welche Formen der didaktischen Vermittlung sind zielführend und nachhaltig?

Was erinnern wir? Das kollektive Erinnern sollte über die jeweiligen »Gedenktage« hinaus in der Gesellschaft angemessen verankert bleiben bzw. mancherorts werden und die bestehenden Gedenkorte – sofern noch nicht geschehen – als Orte des Erinnerns, des Lernens und Reflektierens erweitert werden.

Am Beispiel des Hauses der Wannseekonferenz, der Topographie des Terrors und des Denkmals für die ermordeten Juden Europas, um nur die drei prominentesten Beispiele in Berlin zu nennen, ist dies in besonderer Weise umgesetzt worden. Daher ist es bedauerlich, dass an authentischen historischen Orten wie dem Gleis 17 am S-Bahnhof Grunewald und ebenso am Gleis 69, am ehemaligen Güterbahnhof Moabit, von denen aus in den 1940er-Jahren die in Berlin lebenden Jüdinnen und Juden deportiert wurden, trotz einer künstlerischen Gestaltung keine umfassende Kontextualisierung vorhanden ist. Somit bleiben die Ereignisse und die Bedeutung dieser Orte vielen Menschen verborgen, insbesondere denen, die tagtäglich diese wie auch vergleichbare historische Orte der NS-Ausgrenzungs- und Vernichtungspolitik streifen, sei es auf dem Weg zur Arbeit, um den Hund auszuführen oder um spazieren zu gehen.

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Der heutige Bahnhof mit dem Gedenkort »Gleis 17«